Geschäfts- und Pressebericht des Arbeitsgerichts Mannheim für das Jahr 2017

Datum: 22.03.2018

Das Arbeitsgericht Mannheim übt in Arbeitssachen die Gerichtsbarkeit erster Instanz für die Stadtkreise Mannheim und Heidelberg sowie die Landkreise Rhein-Neckar-Kreis und Neckar-Odenwald-Kreis aus.

Der Sitz des Arbeitsgerichts befindet sich in Mannheim. Beim Arbeitsgericht sind insgesamt 15 Kammern eingerichtet. Hiervon haben vier Außenkammern ihren Sitz in Heidelberg. Am Stammgericht in Mannheim befinden sich 11 Kammern. Von einer dieser Kammern werden Gerichtstage in Mosbach abgehalten. 

 

Geschäftsentwicklung 

Im Jahre 2017 blieben die Klageeingänge bei den Kammern Mannheim und den Kammern Heidelberg in etwa auf dem Niveau der letzten acht Jahre. Es gingen 5.050 Verfahren, davon 177 Mahnverfahren, ein.

Auch 2017 gelang es, die Verfahren zügig zu bearbeiten und den Bestand der Verfahren auf nahezu gleich niedrigem Niveau zu halten. 

Auf die Kammern Mannheim inklusive der Kammer, die für den Gerichtstag in Mosbach zuständig ist, entfielen von den Klageeingängen 3.692 Verfahren.

Diese setzen sich aus 3.406 Urteilsverfahren, 169 Beschlussverfahren und 117 Mahnverfahren zusammen. Bei den Urteilsverfahren handelt es sich überwiegend um Klagen von Arbeitnehmern gegen Arbeitgeber, häufig nach zuvor erfolgten Kündigungen. Bei den Beschlussverfahren hingegen geht es in der Regel um Streitigkeiten zwischen dem Betriebsrat und dem jeweiligen Arbeitgeber.

Zu Beginn des Jahres 2017 waren bei den Kammern Mannheim 931 Altverfahren anhängig. Die Bestandszahlen der Kammern Mannheim sanken leicht auf 891 Verfahren. 

Auf die Kammern in Heidelberg entfielen bei einem Grundbestand von 466 Altverfahren 1.358 neue Verfahren. Hierbei handelte es sich um 1.250 Urteils- und 48 Beschlussverfahren. Hinzu kamen noch 60 Mahnverfahren.

Die Bestandszahlen bei den Kammern Heidelberg sanken ebenfalls leicht und zwar auf 374 Verfahren. 

Mit einer Quote von 71,02 % mündeten im Jahre 2017 mehr als zwei Drittel aller Verfahren spätestens im Termin zur mündlichen Verhandlung in einen Vergleich. Dadurch erlangten die Prozessparteien zu einem frühen Zeitpunkt die notwendige Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. 

 

Güterichterverfahren 

Seit der flächendeckenden Einführung des Güterichterverfahrens bei den Arbeitsgerichten in Baden-Württemberg am 01.01.2015 hat sich das Güterichterverfahren beim Arbeitsgericht Mannheim sehr gut etabliert. Der Güterichter - dies sind beim Arbeitsgericht Mannheim zwei Richterinnen und zwei Richter - ist fester Bestandteil der gerichtlichen Tätigkeit.

Das Verfahren macht es möglich, in freier Verfahrensgestaltung unter Anwendung aller Methoden der Konfliktbeilegung - und hierbei insbesondere auch der Mediation - einer Einigung zuzuführen.

Scheitert die Einigung, wird das Verfahren vor dem zuständigen Prozessrichter fortgeführt.

Das Güterichterverfahren hat sich seit seiner Einführung beim Arbeitsgericht Mannheim in vielen Fällen bewährt und erfreulicherweise sehr oft zu einer Streitbefriedung der Parteien geführt. 

 

Besetzung und Belastung 

Im zurückliegenden Jahr (4. Quartal 2016 und ersten drei Quartale 2017) hatte das Arbeitsgericht Mannheim einen „Pebb§y“-Deckungsgrad von 96 %. Dieser liegt unter dem Durchschnitt der Arbeitsgerichte in Baden-Württemberg, der 105 % betrug. 

Die Tätigkeit von Mannheimer Richterinnen und Richtern in Vertretungsgremien (Präsidialrat und Bezirksrichterrat), die mit 0,25 AkA Freistellungen honoriert werden, sind hierbei nicht berücksichtigt. Personaländerungen hielten sich im Gegensatz zu den Vorjahren 2016 und 2017 in Grenzen. Im Jahresdurchschnitt betrug der Besetzungsgrad des Arbeitsgerichts Mannheim - bedingt durch die Erkrankung einer Richterin im letzten Quartal des Jahres 2016 - 9,78 AkA. Aktuell beträgt der Personalbestand 10,67 AkA bei 14 Richterinnen und Richtern. Diese Besetzung entspricht unter Beachtung der Freistellungen von 0,25 AkA einer Quote von ziemlich genau 100 %.

Bei gleichbleibenden Eingängen ist das Arbeitsgericht Mannheim damit aktuell ausreichend besetzt.

Um den Richtwert von ca. 500 bis 600 Verfahren pro Vollzeitrichterstelle, der eine qualitativ gute und zeitnahe Sachbearbeitung der Verfahren gewährleistet, zu erreichen ist – um auch zunehmende Eingangszahlen sowie Eingangsschwankungen bewältigen zu können – die Besetzung aller 15 Kammern mit einem Richtervolumen von ca. 11 bis 12 AkA wünschenswert. Dann kann auch weiterhin zügiger Rechtsschutz, der im Arbeitsrecht sowohl für Arbeitnehmer als auch für die Arbeitgeber von herausragender, oftmals sogar von existenzieller Bedeutung ist, gewährleistet werden.

Eine möglichst zeitnahe Sachbearbeitung und dadurch zu erzielende schnelle Rechtssicherheit stellen positive Arbeitsmarktpolitik dar und stärken auf diese Weise die Wirtschaft des Landes Baden-Württemberg. 

 

e-Justice 

Die Justiz in Baden-Württemberg führt zurzeit die elektronische Akte ein. Beim Arbeitsgericht Stuttgart läuft seit Mai 2016 ein Pilotprojekt in der Arbeitsgerichtsbarkeit zur Einführung der elektronischen Gerichtsakte. Damit soll die Justiz zukunftsfähig gehalten und die Vorteile der „digitalen Welt“ genutzt werden.

Die Arbeitsgerichtsbarkeit in Baden-Württemberg wird als erste Gerichtsbarkeit die elektronische Akte flächendeckend einführen. Dies ist derzeit im Laufe des Jahres 2018 für alle Arbeitsgerichte geplant.

Seit dem 01.01.2018 wurde der elektronische Rechtsverkehr eröffnet. 

Die erfolgreiche Einführung und Arbeit in der elektronischen Akte ist abhängig von einer ausreichenden Personalausstattung im Unterstützungsbereich. Sofern eine solche gegeben ist, werden unsere motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Teil dazu beitragen, die elektronische Akte in Baden-Württemberg zu einem Erfolgsmodell werden zu lassen. Ihrer Motivation und ihrem großen Einsatz ist es zu verdanken, dass in der Vergangenheit die Verfahren beim Arbeitsgericht Mannheim sowohl beim Stammgericht in Mannheim als auch bei den Außenkammern in Heidelberg stets zügig und gewissenhaft abgewickelt werden konnten. 

 

Öffentlichkeitswirksame Verfahren 

Auch im Jahr 2017 waren einige Verfahren vor dem Arbeitsgericht Mannheim von besonderem medialen Interesse:  

Eine muslimische Pflegehelferin scheiterte vor dem Arbeitsgericht mit einer Klage gegen ihre Kündigung. Ein ambulanter Pflegedienst für alte und kranke Menschen hatte die Mitarbeiterin nach einer Woche entlassen, da die Klägerin es abgelehnt hatte, männliche Patienten zu waschen. Aufgrund der Kürze des Beschäftigungsverhältnisses bestand für die Klägerin kein Kündigungsschutz. Die 3. Kammer des Arbeitsgerichts sah in der Kündigung weder einen „Rechtsmissbrauch“ noch verletzte Grundrechte. Das Gericht führte aus, dass - unabhängig von einer Religionszugehörigkeit - vertraglich vereinbarte Tätigkeiten ausgeführt und „übliche Spielregeln“ beachtet werden müssten.  

In einem anderen Fall sollte gerichtlich geklärt werden, ob eine Kundenberaterin in der Parfümerieabteilung einer Drogeriemarktkette während ihrer Tätigkeit das islamische Kopftuch („Hijab“) tragen darf. Die Klägerin war bereits seit 2001 bei der Drogeriemarktkette beschäftigt und wollte nach dreijähriger Elternzeit ihre Tätigkeit als Kundenberaterin wiederaufnehmen. Sie beabsichtigte dabei aus religiösen Gründen, das islamische Kopftuch zu tragen. Die Arbeitgeberseite lehnte dies mit Hinweis auf die „absolute Neutralität“ der geltenden Betriebsordnung ab. 

Der Prozess wurde auf Antrag der Parteien in ein güterichterliches Verfahren übergeleitet. Dort schlossen die Parteien einen Vergleich, der auch das gerichtliche Verfahren beendete. 

Schließlich hatte sich das Arbeitsgericht auch mit den Kündigungsschutzklagen des Abteilungsleiters für Fahr- und Sonderdienste und einer Personalreferentin des Nationaltheaters zu beschäftigen.  Die Stadt Mannheim als Arbeitgeberin begründete die Kündigung des Abteilungsleiters damit, dass er aufgrund einer Absprache mit der zuständigen Personalreferentin und seinem direkten Vorgesetzten seit dem Jahr 2012 (über tatsächlich in großem Umfang geleistete Überstunden hinaus) monatlich sieben Überstunden aufgeschrieben und ausgezahlt bekommen hatte, ohne diese tatsächlich erbracht zu haben. Dies habe dem Ausgleich für nicht mehr (länger) gezahlte Erschwernis- und Schmutzzulagen gedient. Der Kläger räumte ein, dass es eine solche Abrede gäbe, verwies aber darauf, dass sie auf Vorschlag der Personalreferentin zustande gekommen sei und er sich darauf verlassen habe, dass die Mitarbeiterin hierzu berechtigt gewesen sei. Das Gericht erklärte diese Kündigung für unwirksam und verurteilte die Stadt, den Kläger vorläufig weiter zu beschäftigen. Zur Begründung führte das Gericht aus, der Kläger habe darauf vertrauen dürfen, dass die Personalmitarbeiterin berechtigt sei, derartige Vereinbarungen abzuschließen. Darüber hinaus habe die Beklagte in der Vergangenheit eine hohe Anzahl an tatsächlich geleisteten Überstunden vom Kläger entgegengenommen und an ihn ausgezahlt, ohne die personelle Besetzung der Abteilung zu verbessern. Sie sei deshalb ihrer eigenen Fürsorgeverpflichtung nicht gerecht geworden.

Auch im Kündigungsschutzverfahren der Personalreferentin unterlag die Stadt. Diese habe nach Auffassung des Gerichts keine „hinreichend objektiven Tatsachen“ für die Behauptung angeführt, dass sich die Personalreferentin die Überstundenregelung bezüglich des Abteilungsleiters Fahrdienste ausgedacht und vorgeschlagen habe. Die Stadt Mannheim legte gegen beide Urteile zum Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Kammern Mannheim, Berufung ein. Eine Entscheidung hierüber liegt derzeit noch nicht vor. 

 

Maier                                                                              Faggin
Präsident des Arbeitsgerichts                                      Richterin am Arbeitsgericht 

Miess
Richterin am Arbeitsgericht

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